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Mercedes-Benz Arocs: Vorsicht, bissig!

16.05.2013 08:00 Uhr
Mercedes-Benz Arocs: Vorsicht, bissig!
Flexibler Rücken: Der weiche Rahmen hilft beim Verschränken
© Foto: Gregor Soller

Für erste Fahreindrücke stellte Daimler mehrere Arocs, die sich on- und offroad vielversprechend ins Zeug legten.

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Nach der künstlichen Bühne der Münchner Bavaria-Filmstudios suchte der Arocs jetzt die natürliche Kulisse einer Wuppertaler Kalkgrube, um zu zeigen, dass er gegenüber der erstarkten Konkurrenz wirklich so bissig ist wie der Grill in Baggerzahnoptik das andeutet.

Für den ersten Ausritt in schwerem Gelände stand ein handgeschalteter 4151 8x8 bereit, ausgeladen auf gut 40 Tonnen. Der Einstieg fällt leichter als beim Actros MP 3, denn die Stufen sind jetzt treppenförmiger angeordnet. Aber man muss etwas höher klettern, da der Kabinenboden des Arocs wegen des höher gelegten Rahmens und des hoch bauenden Euro-6-Antriebs je nach Ausführung gegenüber dem Vorgänger um fünf bis zehn Zentimeter nach oben rückte. Nach dem Druck auf den Starterknopf fällt auf, dass der Motor nicht wirklich leise, aber mit angenehmem Brummen arbeitet. Ansonsten erinnert vieles an den oft zitierten PKW, etwa die leichtgängige Lenkung, die auch bei Volleinschlag kein Servopulsen spüren lässt. Oder die jetzt seilzugbetätigte Gangschaltung im klassischen Doppel-H, deren Schaltwege ebenso kurz ausfallen wie der Gangknüppel. Die Gruppe wechselt man, indem man ihn nach rechts oder links zieht. Gesplittet wird per Schalter an der Vorderseite.

DAIMLER SETZT AUF AUSGEFEILTE ELEKTRONIK

Trotzdem hilft Daimler auch hier massiv mit Elektronik nach. Erster Stopp mitten im 40-Prozenter: Der Hillholder hält den Arocs einige Sekunden fest und die Motorsteuerung sorgt dafür, dass man dann allein per Kupplungspedal mit Standgas anfahren kann. Das funktioniert entspannt, da man das linke Pedal ganz langsam "kommen lassen" kann. Dann klettert der Arocs stoisch weiter.

Das bärige Drehmoment der Motoren erlaubt dabei auch tiefe Drehzahlschluchten von 700 Touren und weniger, ohne dass sich der Arocs "verschluckt". Auf dem anschließenden Gefälle hält die kräftige Motorbremse den 40-Tonner locker im Zaum - kein Vergleich zum "konstantdrosselnden" Vorgänger. Von dem übernahm er die Sperrenaktivierung, in sinnvoller Reihenfolge per Drehschalter. Da das wichtiger ist als die Feststellbremse, rückte sie bei den Handschaltern hinter den Gangknüppel.

Anschließend ging es auf einen Verwindungsparcours. Da Daimler beim Arocs einen weicheren Rahmen als beim Actros verbaut, der außerdem über Querträgerplatten statt Rohre verbunden ist, legt der Daimler hier eine fast Tatra-mäßige Gelassenheit an den Tag. Der Fahrer spürt wenig von den immensen Kräften, die die Kabine gegen den Aufbau drehen. Damit hat der Arocs auch in punkto Komfort nochmal spürbar zugelegt.

KONSTRUKTIVE SICHERHEITEN WIEGEN SCHWER

Die Kehrseite dieser Auslegung ist allerdings, dass sich der Daimler trotz sehr hoher Lenk- und Schaltpräzision insgesamt etwas "weich" anfühlt. Hier entfernt sich der Arocs weniger weit vom eher sanft ausgelegten Vorgänger als die viel straffer liegenden Antos- oder Actros-Straßenfahrzeuge. Und weil wir schon mal am Kritisieren sind, muss man nochmal das Gewicht des Arocs bemängeln. Das ist neben der Euro 6-"Chemiefabrik" auch den schwereren Motorblöcken geschuldet, die auf höhere Drücke ausgelegt wurden.

Grund für das hohe Leergewicht ist laut Vertriebschef Ulrich Bastert aber eine sehr "konservative" Auslegung des kompletten Packages. Bastert denkt noch mit Schaudern an den Actros 1 zurück, bei dem ganz zu Anfang fast nichts funktionierte. Darum rechnete die Konstruktion diesmal alle Komponenten mit Extra-Sicherheiten. Zumal Daimler im Bausegment noch nie für Fliegengewichte bekannt war. Außerdem verzeihen Kunden ein paar Pfund zu viel auf den Rippen eher als einen Ausfall. Und hier hat sich der Actros laut Bastert bereits bewährt. "Die ersten Autos haben jetzt 450.000 Kilometer runter. Die Kunden bestätigen uns, dass wir Wort gehalten haben", freut sich der Vertriebschef. Fast immer seien die neuen Autos sparsamer und alle halten durch - von Einzelfällen abgesehen, die es laut Bastert aber immer mal gäbe.

Trotzdem wurde eine "Task-Force" eingerichtet. Jeder Liegenbleiber wird untersucht und die Ursache direkt an die Konstruktion weitergegeben. So werde der Slogan "Trucks you can trust" auch umgesetzt, so Bastert.

Der Gewichtsproblematik kann man mit dem neuen OM 470 zum Teil entgehen. Der spart gegen-\&{uni25B6}; über dem OM 471 gut 150 Kilogramm ein, bietet in der stärksten Version 428 PS und 2100 Nm und überschneidet sich hier mit dem schwächsten OM 471. Im Gegensatz zu MAN, wo der 440er in Euro 6 auf den größeren D26 zurückgreifen muss, betreibt Daimler hier sinnvolles Downsizing.

BEIM OM 470 FEHLEN 75 KW MOTORBREMSKRAFT

Für die Fahrt in leichterem Gelände stand dann ein 3240 mit Powershift 3 zur Verfügung. Mit 1900 Nm und 290 kW (394 PS) rangiert er für Grubeneinsätze eher am unteren Ende des Nötigen, macht seinen Job dank nochmals schnellerer Schaltzeiten aber sehr gut.

Zwar kann Powershift dem Fahrer das Vorausblicken im Gelände nicht abnehmen. Doch dafür gibt es die Stellung Manuell. Außerdem einen Offroad-Modus, der immer nur einen Gang schaltet und die Gänge länger hält respektive höher dreht.

Der Dekompressions-Motorbremse fehlen gegenüber dem größeren, 475 kW starken OM 471 allerdings 75 kW, die man an steilen Abfahrten etwas vermisst. Aber auch er wird von Powershift im Offroad-Modus gut unterstützt. So zieht der 3240 steile Stiche oder kurze so genannte Kamelhöcker- Buckel hinauf. Bergab werden die Gänge dank Neigungswinkelsensor bis weit in den roten Drehzahlbereich hinein gehalten. Die Schaltzeiten verkürzte Daimler nochmal, Powershift stuft flott.

DREHMOMENT ERLAUBT GROSSE GANGSPRÜNGE

Das lernt man bei sich ändernden Fahrbedingungen im Normalmodus zu schätzen: Nach Kehren oder Anstiegen springt Powershift binnen Sekundenbruchteilen auch mal von Gang drei auf sieben oder umgekehrt. Beim Handschalter muss man hier immer eine Gedenksekunde für den Gruppenwechsel einplanen.

Entsprechend souverän agiert Powershift dann auch im dritten Test-LKW, einem 2645-Anhängerzug, der erst leer und nach Beladung in einem Kieswerk mit 40 Tonnen Gesamtgewicht durchs Bergische Land kurvte. Dabei bietet der 450er auch dank Top-Torque genug Kraft, um bergan nicht zum Haarnadel- Hindernis zu werden. Doch sobald der Rechner eine Möglichkeit sieht, hochzuschalten, tut er das auch hier gern wieder mit Gangsprüngen, die den Motor bis auf 700 Touren abstürzen lassen. Was aber immer noch reicht, um anschließend wieder Fahrt aufzunehmen. Nur auf Autobahnauffahrten sollte man den Zug deshalb eventuell mit Kickdown oder kurz manuell beschleunigen, da man sonst auch unbeladen nur langsam vorankommt. Bergab lässt sich der Zug gut per Motorbremse halten. Auch die Betriebsstopper sind exakt zu dosieren was übrigens für alle gefahrenen Ausführungen gilt, unabhängig davon, ob Scheiben oder Trommeln verzögern.

Mit dem Eco-Roll-Modus haushaltet der Arocs einsatzbedingt eher sparsam: Nur auf langen Geraden oder an sanften Gefällen kuppelt er aus, um so den Rollwiderstand zu reduzieren. Die Lenkung fällt auch beim Dreiachser- Hängerzug sehr exakt und leichtgängig aus.

Seine erste Bewährungsprobe bestand der Arocs also mit Bravour. Er hat genug Biss, um die Konkurrenz in Europas Baugruben weiter auf Distanz zu halten.

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