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Bußgeldbescheid: Im Zweifel für den Fahrer

30.05.2015 08:00 Uhr
Bußgeldbescheid: Im Zweifel für den Fahrer
Nicht jeder Strafzettel muss auch gerechtfertigt sein
© Foto: picture-alliance/dpa/Marijan Murat

Einmal kurz zu nah dran, einmal in die "Blitzerfalle" geraten - und kurze Zeit später flattert dem Arbeitgeber ein Bußgeldbescheid ins Haus. Doch nicht jedes "Ticket" ist gerechtfertigt: Auch bei polizeilichen Messungen passieren Fehler.

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Geschwindigkeitsüberschreitungen, Rotlichtverstöße, Abstandsfehler - obwohl immer mehr Assistenzsysteme den Lkw-Fahrer bei seiner Arbeit unterstützen, kommt es im Straßengüterverkehr regelmäßig zu Verstößen. Diese werden mittels eines Bußgeldbescheids geahndet. Das Knöllchen wird dem Fuhrunternehmen als Halter des Fahrzeugs zugestellt und ist unerfreulich.

Vor allem, wenn es mit Strafpunkten einhergeht. "Nach der Reform des Bußgeldkatalogs 2014 sieht es für Berufskraftfahrer schlechter aus als zuvor, denn es sind jetzt die kleinen Vergehen, die sich summieren", ist die Erfahrung von Rechtsanwältin Daniela Mielchen aus Hamburg, die in ihrer Kanzlei rund 400 Fuhrunternehmen in Bußgeldsachen vertritt. Dadurch sei der Führerschein inzwischen schneller weg.

BESONDERS EIN ROTLICHTVERSTOSS KANN TEUER WERDEN

Besonders harte Strafen drohen beim Überfahren einer roten Ampel. Je nachdem, ob die Ampel zum Zeitpunkt des Überfahrens bereits länger oder kürzer als eine Sekunde Rot zeigte, unterscheidet sich das Strafmaß. Die Rede ist dann vom einfachen oder qualifizierten Rotlichtverstoß. Stand sie länger als eine Sekunde auf Rot, werden als Strafe etwa ein Bußgeld in Höhe von 200 Euro, zwei Punkte in Flensburg und ein Monat Fahrverbot verhängt.

Minimale Abweichungen beim Messgerät können also schon ausreichen, um zumindest dem Fahrverbot zu entgehen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Uhrwerk der Rotlichtkamera nicht richtig misst. "Bei Rotlichtverstößen sollte man sich die Umsprungszeiten der Ampel genau ansehen und ins Verhältnis zur erlaubten Geschwindigkeit setzen", rät Verkehrsrechtsanwältin Mielchen.

"Wenn 50 Stundenkilometer erlaubt sind, muss die Umsprungszeit von der Gelb- auf die Rotphase so lange sein, dass auch ein Lastwagen noch bremsen kann." Wenn nur ein Polizeibeamter oder ein anderer Zeuge das Geschehen beobachtet hat, kann ein qualifizierter Rotlichtverstoß nur schwer gerichtsfest nachgewiesen werden. Es kommt folglich der einfache Rotlichtverstoß in Betracht. Dieser wird lediglich mit Bußgeld und Punkten, aber nicht mehr mit einem Fahrverbot geahndet.

MESSFEHLER ENTSTEHEN MEIST DURCH DIEJENIGEN, DIE MESSEN

Bei einem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid landet die Sache - wenn die Verwaltungsbehörde nicht einlenkt - vor Gericht. Carsten Krumm, Richter am Amtsgericht in Lüdinghausen, kennt viele solcher Fälle: "Bei Rotlichtverstößen reicht die pauschale Behauptung, man habe den schweren Lkw nicht rechtzeitig vor der Ampel abbremsen können, vor Gericht nicht aus", erklärt er. Es müssten bestimmte örtliche Gegebenheiten dazukommen, die den Tatrichter überzeugten. "Zum Beispiel, wenn eine Ampel dicht hinter einem Ortseingangsschild steht, man bis kurz vor dem Schild aber deutlich schneller als 50 Stundenkilometer fahren darf." Auch der typische Vortrag, die Messschleifen auf der Straße arbeiteten bei schweren Lkw nicht zuverlässig, sei inzwischen durch Sachverständigengutachten widerlegt.

Bei Geschwindigkeitsmessungen kommen mobile und fest installierte Geräte zum Einsatz. "Mobile Geräte sind bei Lkw besonders effektiv - vor allem die unempfindliche Laserpistole, die der Polizist mit der Hand ausrichtet", sagt Polizeihauptkommissar a.D. Reinhard Leuker, der in Nordrhein-Westfalen viele Polizisten in Messtechnik geschult hat. "Sie funktioniert bei schlechtem Wetter ebenso wie bei schwierigen Kurvenlagen, aus Senken und auch von Brücken." Messfehler passierten bei der heutigen Technik weniger, sagt er. Die Software im Gerät sortiere nicht korrekte Messungen vorher schon eigenständig aus.

Fehler entstünden hauptsächlich durch denjenigen, der die Geräte bediene. Denn beim Aufbau eines Gerätes, beim Ausrichten auf den Fahrzeugbereich, beim Vermessen einer Kurve oder bei der Protokollierung der Messung seien die Anforderungen seitens der Gerätehersteller sehr hoch. Anwältin Mielchen rät, immer auch die Entwicklung des Geschehens zu betrachten. "Was ist unmittelbar vor dem Blitzen passiert, zum Beispiel auf Höhe des Schildes mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit?", hinterfragt die Expertin. Die Aufmerksamkeit des Fahrers könne eventuell durch eine Gefahr, die vorrangig abzuwehren war, beansprucht gewesen sein, erläutert sie. "Wenn nur ein einziges Schild aufgestellt war, noch dazu so, dass man es leicht übersehen kann oder es durch Fahrzeuge zugeparkt gewesen sein kann, dann ist ein solches Szenario schwer zu widerlegen und es gilt der Grundsatz: im Zweifel für den Angeklagten."

Aber auch ganz handfeste Ursachen sollte man in Betracht ziehen. "Zeigt der Digitacho bei einer Kontrolle eine zu hohe Geschwindigkeit an, kann dies daran liegen, dass die Reifen eine geringfügig andere Größe haben als der Rolldurchmesser, von dem das Gerät ausgeht", berichtet Mielchen. Sie rät, dies von einem Sachverständigen mittels Rolltest überprüfen zu lassen. Und Richter Krumm ergänzt: "Die Erklärung, der Tempomat sei kaputt gewesen, genügt vor Gericht nicht." Vielmehr solle man das Gerät bei Zweifeln sofort auf seine Funktionstüchtigkeit überprüfen lassen. Könne man ein Reparaturprotokoll einer Werkstatt vorlegen, stünden die Chancen gut.

VON EINEM FAHRVERBOT KANN IM AUSNAHMEFALL ABGESEHEN WERDEN

Grundsätzlich geht dem Erlass des Bußgeldbescheides eine schriftliche Anhörung des Betroffenen voraus. Aber: "Ein Lkw-Fahrer sollte bei Vorwürfen zunächst keine Aussage machen, dann sind die Erfolgsaussichten bei einer professionellen Verteidigung besser", rät Verkehrsanwältin Mielchen. "Wenn sich ein Ansatz ergibt, geben wir den Fall an unsere externen Rechtsanwälte", erläutert Volker Pfeiffer. Er ist bei der Seifert Logistics Group in Ulm zuständiger Bereichsleiter für das Fuhrparkmanagement. "Daneben erfasst unser Managementsystem alle Verstöße, sodass wir für jeden Fahrer die passende Zielschulungsmaßnahme auswählen können, die auf seine persönlichen Potenziale und auch Schwächen eingeht."

Bei der Verurteilung hat der Richter im Rahmen der Strafzumessung die Möglichkeit, die besondere Situation eines Berufskraftfahrers zu würdigen. "Droht ein Fahrverbot, kann wegen beruflicher Härten hiervon abgesehen werden, wenn tatsächlich ein Arbeitsplatzverlust droht", schildert Verkehrsrichter Krumm. "Davor werden mögliche Milderungsgesichtspunkte abgewogen, so etwa, ein Fahrverbot im Urlaub." Möglich sei auch eine Beschränkung des Fahrverbots auf bestimmte Fahrzeugarten, was bei Verstößen während Privatfahrten eines Lkw-Fahrers entlastend für die berufliche Situation sein könne.

Unabdingbar ist es natürlich, den Arbeitgeber von einem Fahrverbot sofort zu unterrichten. Denn er macht sich strafbar, wenn er - auch nur fahrlässig - zulässt, dass jemand eines seiner Fahrzeuge führt, der keine Fahrerlaubnis hat oder gegen den ein Fahrverbot besteht. "Aufgrund dieser Unternehmerpflichten haben wir ein engmaschiges Monitoring durch Führerscheinkontrollen, um auch uns nicht bekannte Fahrverbote erkennen zu können", sagt Bereichsleiter Pfeiffer. Nicht jeder spreche freiwillig über so etwas. "Wir versuchen dann, den Fahrer während des Fahrverbots in anderen Logistikprojekten einzusetzen, denn wir wollen unsere soziale Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern wahrnehmen und investieren ja auch in die Ausbildung des Fahrpersonals." Anja Falkenstein

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