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Zündstoff an der A49: Arbeiten am Baustellen-Teilstück ruhen weiter

07.06.2022 15:31 Uhr | Lesezeit: 3 min
A49
Die Autobahn 49 sorgt für Diskussionsstoff
© Foto: Bernd Schoelzchen/dpa/picture-alliance

Der Lückenschluss der Autobahn 49 ist umstritten. Nach heftigen Protesten von Umweltschützern wurde es ruhiger um die Baustelle. Die Entdeckung problematischer Stoffe liefert neuen Zündstoff.

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Nach dem Fund von Sprengstoffspuren ruhen auf der Baustelle der umstrittenen Autobahn 49 in Mittelhessen stellenweise weiterhin die Arbeiten. Noch steht nicht fest, wann es dort weitergehen kann. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen, das den Teil-Baustopp Mitte Mai angeordnet hatte, teilte mit: Dieser "gilt seit dem Aussprechen bis auf Weiteres". Derzeit werde ein Konzept unter anderem zu weiteren Probenahmen und Untersuchungen erarbeit.

Die Behörde erwartet wegen des punktuellen Stopps keine größeren Verzögerungen der Arbeiten, da der von der Anordnung betroffene Bereich nur einen sehr geringen Teil der Gesamtbaustelle ausmache. Es handele sich um eine Fläche von etwa 60 mal 200 Metern der mehr als

30 Kilometer langen Neubaustrecke, erläuterte eine Sprecherin der ausführenden Baugesellschaft. "Der aktuelle Baustopp an dieser Stelle wirkt sich grundsätzlich nicht auf den weiteren Bauverlauf aus. Auf der restlichen Strecke vor allem im Bereich der Brückenbauwerke kann weitergearbeitet werden."

Die Entdeckung gelber Klümpchen in ausgehobenem Boden und eine Bürgerinformation über mögliche Verunreinigungen am Ortsrand von Stadtallendorf (Kreis Marburg-Biedenkopf) hatten das RP nach eigenen Angaben aktiv werden lassen. Ein Schnelltest sei dann positiv auf sprengstofftypische Verbindungen gewesen. Der Verdacht: Es handelt sich um den Stoff Hexyl. Weitere Analysen bestätigten dies. In mehreren Proben seien geringe Hexyl-Mengen unterhalb des Grenzwertes festgestellt worden, so das Regierungspräsidium. Die Klümpchen wiesen demnach eine hohe Belastung auf.

Das kontaminierte Material wurde demnach vor Ort separiert, mit Folie abgedeckt und soll fachgerecht und ordnungsgemäß entsorgt werden. Die zuständigen Baugesellschaften sollen dazu der Behörde ein Entsorgungskonzept vorlegen, erläuterte ein RP-Sprecher.

Der Lückenschluss der A49 in Mittelhessen sorgt seit Jahren für Zündstoff in der Region. Für die Trasse mussten Dutzende Hektar Wald gerodet werden, was im Herbst 2020 zu massiven Protesten von Klima- und Umweltschützern und einem wochenlangen Polizeigroßeinsatz geführt hatte. Befürworter erhoffen sich von der Autobahnanbindung kürzere Fahrzeiten und Impulse für die Wirtschaft in der Region.

Der Hexyl-Fund bestätigt Kritiker in ihrer Ablehnung des Verkehrsprojektes. Sie finden unter anderem bedenklich, dass die Trasse durch ein Wasserschutzgebiet führt. Und da sei die Altlastenproblematik - Stadtallendorf war ein Rüstungsstandort.

Hier war ein Werk der Westfälisch-Anhaltischen Sprengstoff-Actien-Gesellschaft (WASAG) ansässig. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte die WASAG sowie das Werk Dynamit AG (DAG) in Stadtallendorf zu den größten TNT-Produktionsstätten der deutschen Rüstungsindustrie. Nach Kriegsende wurden die Anlagen zerstört. Dabei sei das Gelände beider Werke mit sprengstofftypischen Verbindungen kontaminiert worden, heißt es auf der RP-Webseite. Eine Bodensanierung im Jahr 2005 wurde demnach abgeschlossen, es gebe aber noch Sanierungsbedarf in den Außenbereichen.

Die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) hatte für die A49 den Boden der WASAG-Flächen vor dem Beginn des Autobahnbaus saniert. Dort seien Boden und Bauwerke mit sprengstofftypischen Verbindungen und giftigen Kohlenwasserstoffen belastet gewesen. Der Austausch des Bodens sei behördlich kontrolliert und erfolgreich beendet worden, hatte die DEGES im Mai erklärt.

Barbara Schlemmer vom Aktionsbündnis «Keine A49!» sieht Vermutungen, dass die Sanierung an der Trasse im fraglichen Bereich mangelhaft sei, bestätigt: "Darauf haben wir seit Frühjahr 2021 hingewiesen. Bereits im April 2021 haben wir gelbe Kügelchen im dortigen Trassenbereich vorgefunden und dies den zuständigen Behörden gemeldet." Ob die jetzt geplanten Maßnahmen zur Beseitigung ausreichend seien, könne sie nicht bewerten, "da in der Sache sehr intransparent verfahren wird". Schlemmer sorgt sich auch um das

Grundwasser: "In Sachen Wasserrecht werden wir weiter auf juristischem und behördlichem Wege dafür eintreten, dass die wasserrechtliche Genehmigung für die A49 aufgehoben wird, bis die erforderlichen Bedingungen für das Wasserrecht umgesetzt sind." 

Eine erhöhte Gefahr für das Trinkwasser sieht das Regierungspräsidium nach dem Fund nicht: "Auf der betroffenen Baustelle wird nicht in grundwasserführende Bodenschichten eingegriffen, die der Trinkwassergewinnung dienen." Die nächsten Trinkwasserbrunnen seien mehr als zwei Kilometer vom Hexyl-Fundort entfernt. "Zudem verhindern die ergriffenen Sicherungsmaßnahmen eine Schadstoffausbreitung ins Grundwasser." 

Die ausgehobene Erde mit den gelben Klümpchen und den bestätigten Hexyl-Funden entstammt nach Angaben des Regierungspräsidiums dem Straßenunterbau der betroffenen Artilleriestraße im Trassenbereich.

Dort hätten bislang keine Verdachtsmomente vorgelegen. "Deshalb wurden im Vorfeld der A49-Bauarbeiten dort keine Untersuchungen auf sprengstofftypische Verbindungen durchgeführt. Dieser Abschnitt war deshalb auch nicht Gegenstand der vor Baubeginn erfolgten Altlastensanierung." 

Eine mögliche Erklärung für die Funde sei, dass beim Straßenbau in den 1950er Jahren mit Hexyl belastetes Auffüllmaterial verwendet worden sein könnte, hatte das Regierungspräsidium vor kurzem mitgeteilt. "Genau rekonstruieren lässt sich dieser Zusammenhang nach inzwischen rund 70 Jahren allerdings nicht mehr." (ste/dpa)

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