Der Test des FH16-750 ist sicher ein Highlight für die Testredaktion des TRUCKER - und wie die Facebook-Kommentare zeigen, sehen das unsere Leser ganz ähnlich. Nun gut, die Sinnfrage sollte man bei 40 Tonnen Gesamtgewicht nicht stellen. Und das im Verhältnis niedrige Durchschnittstempo (auf dem Niveau eines Daf 510 oder Actros 630) - das sei vorab schon mal gesagt - liegt sicher nicht an mangelnder Leistung, als viel mehr am hohen Verkehrsaufkommen am Testtag und den Überholverboten auf der A3 von Regensburg nach Nürnberg.
Auf freier Strecke, wenn der 750er so richtig aufspielen kann, werden Berge zu Ebenen und praktisch kaum noch wahrgenommen. Mit der Überarbeitung auf Euro-6-Niveau legten zwar die Papierwerte nicht mehr zu, dafür aber das subjektive Leistungsempfinden gerade im Bereich bis 1400 Touren.
ZWEI TURBOS, 750 PS UND 3550 NM SORGEN FÜR VIEL FAHRSPASS
Ein Tritt aufs Gaspedal, und der über 16 Liter große Sechszylinder liefert immer mehr Power als nötig. Sehr zur Freude der Tester und im Gegensatz zu früher macht er dies äußerst harmonisch. Zudem hat man nicht mehr das Gefühl, dass der von einer modernen Common-Rail-Einspritzung befeuerte Biturbo mit wenig Last auf der Hinterachse in der Leistung kastriert wurde. Einziges Manko: Trotz der variablen Turbinengeometrie des zweiten Turbos vergeht ein wenig Zeit, bis der Motor anspricht. Andererseits, mit Leistung im Überfluss lässt sich diese Kleinigkeit verschmerzen.
Das I-Shift-Getriebe harmoniert bestens mit dem Motor. Zu seinen Vorzügen gehören schnelle Gangwechsel, eine exzellente Schaltstrategie und gerade in Kombination mit dem großen Motor eine sehr gute Bremsintegration. Der "Automat" schaltet bergab sauber zurück und mit bis zu 700 kW Bremsleistung der "Volvo-Engine-Brake Plus" reicht meist der Elfte, um passende Drehzahlen zu erreichen. Wer in das via Druckknopf am Bremshebel betätigte Bremsprogramm wechselt, wird mit einer weiteren Rückschaltung und vehementer Verzögerung belohnt. Obwohl wir bekanntermaßen Retarder-Fans sind, braucht der FH16 den sicher erst jenseits von 50 Tonnen Gesamtgewicht.
Für die Testfahrt haben wir das mittlere der beiden Eco-Programme ausgewählt. Schließlich steht bei Verwendung von 750 Pferdestärken nicht Sparen an erster Stelle. Damit verliert der starke Schwede über die Kuppe nicht zu viel Tempo, gibt fallweise vor dem Anstieg ein klein wenig Gas und - was uns bei der aktuellen Version wohlwollend aufgefallen ist: Überschwinger bergab reichen (nachdem es viel Kritik von den Fahrern wegen Geschwindigkeitskontrollen gab) jetzt nur noch kurzfristig bis maximal 92 km/h, bei gesetztem Tempo 85 km/h.
Zu fahren ist der FH16 sehr komfortabel. Auch wenn der Testtruck nicht über die optionale Einzelradaufhängung verfügt, federt er weich und wirkt dennoch ausreichend straff. Gab's bei früheren Modellen schon mal Kritik, weil der schwere Sechszylinder mächtig auf der Vorderachse lastete - was speziell auf Landstraßen zu einem trägen Einlenkverhalten führte -zeigte der aktuelle Proband keine solchen Tendenzen. Auch die Kombination mit der Kabinenfederung ist gelungen und die Hinterachse federt geschmeidig. Was übrigens für alle Beladungszustände gilt. Auch mit unserem Teilbeladungstrailer gibt sich der Schwede von der kommoden Seite.
DER FH16 IST (FAST SCHON ZU) LEISE FÜR EINEN POWER-TRUCK
Großartige Kabinenbewegungen sind ebenfalls nicht feststellbar. Die insgesamt komfortable Auslegung wird unterstützt durch ein niedriges Fahrgeräusch. Selbst mit (elektrisch) geöffnetem Glasdach bleibt das Geräuschniveau in der Kabine niedrig. Für die Nacht am Autobahn-Parkplatz könnte es ein klein wenig leiser sein. Da haben andere Hersteller offensichtlich mehr Dämmung hineingepackt.
Am Testtag war es mit bis zu 35 Grad ziemlich heiß. Auf adäquate 25 Grad Innentemperatur eingestellt stellt sich ein angenehmes Klima ein. Nur nach kurzer Rast und ohne die integrierte Standklimaanlage zu aktivieren, läuft das Gebläse ein paar Minuten auf Volldampf und produziert eine hohe Geräuschkulisse.
Im Hochsommer lernt man außerdem die Vorteile der Klimasitze zu schätzen. Auf Stufe zwei ist aber auch deren Gebläse ziemlich laut. Die Sitzmöbel an sich sind gut konturiert und wenn der Fahrer die Annehmlichkeiten einer elektrischen Sitzverstellung genießen kann, klappt auch die Verstellung problemlos. Für Fahrer mit längeren Beinen fehlt es allerdings ein wenig an Sitztiefe. Wie man generell nicht versteht, warum Volvo bei der Konzeption des Neuen nicht ein paar Zentimeter mehr Kabinenlänge realisiert hat.
Der Mangel manifestiert sich neben dem eingeschränkten Sitzverstellbereich an einem starken Einzug des unteren Bettes im Kopf- und Fußbereich. Bei der Schlafstatt sollte man sich übrigens das aufstellbare Rückenteil gönnen - durch dessen Funktionalität man auch bessere Sicht auf den optionalen Flatscreen an der Kabinen-Seitenwand hat.
Die Sicht aus dem großen Schweden ist gut. Auch wenn die Außenspiegel relativ klein erscheinen, bieten sie ein gutes Rückblickfeld. Und der schlanke Aufbau schränkt die Sicht nach vorne und der Seite nicht zu sehr ein - zumal die A-Säulen schlank ausfallen. Die Luftführung in der Mitte der Spiegel soll zudem der Verschmutzung vorbeugen. Eine Behauptung, die nicht alle Volvo-Fahrer bestätigen können ...
Das Bedienkonzept des New FH wurde schon bei der Martkeinführung gelobt. Das im Halbrund um den Fahrer gezogene Armaturenbrett sorgt für Übersicht. Die Anordnung der Schalter in Funktionsgruppen macht es selbst Volvo-Neulingen leicht, sich halbwegs zurechtzufinden. Völlig überfrachtet ist aber das Multifunktionslenkrad. Wer zum ersten Mal einen FH übernimmt, sollte vor dem ersten Trip unbedingt einen Blick in die Bedienungsanleitung werfen.
DER FAHRERCOACH MUSS SERIE SEIN UND NICHT ANS DYNAFLEET GEKOPPELT
Dass Volvo jetzt einen "Fahrertrainer" à la "Driver Performance Assist" integriert, ist löblich. Aber warum muss man dafür das nicht sonderlich günstige Dynafleet kaufen? So ein "Coach" gehört serienmäßig in jeden Lkw! Und warum, liebe Volvo-Leute, platziert Ihr den Schalthebel nicht endlich an vernünftiger Stelle - etwa in einen der vielen Lenkstockhebel integriert. Aber bitte nicht die Lösung aus dem FM mit den unergonomischen Drucktastern fürs "I-Shift Fleet" im Armaturenbrett ...
Dass der Schwede trotz "XL"-Kabine nicht zu den wirklich Großen gehört, haben wir an anderer Stelle schon erwähnt. Deshalb sei Interessenten dringend geraten, das Schranksystem an der Rückwand zu kaufen. Wer ohne oberes Bett auskommt, nimmt die tiefe Variante. Wer oben schlafen will oder tatsächlich mit zwei Mann unterwegs ist, wählt die "schlanke" Variante. Nur die kleinen Staufächer über der Scheibe sind zu wenige. Auch wenn sie den Vorteil bieten, dass man sich so noch bequem bewegen und Kleidung wechseln kann.
Lobend erwähnen muss man die exzellent arbeitenden Fahrerassistenzsysteme. ESP regelt sanft, spät und sauber. Der Notbremsassistent - wir hoffen, dass ihn nie jemand braucht - verzögert tatsächlich nur bis zum Tempo des Vorausfahrenden und nicht grundsätzlich bis zum Stand (wenn nicht nötig). Schön wäre jetzt noch, wenn im Display (wie im Mercedes Actros) das Tempo des/der Vorausfahrenden zu sehen wäre - eine wirklich gute Hilfe fürs vorausschauende Fahren. Einzig der Spurbindungsassistent nervt für unseren Geschmack eine Idee zu früh. Toll ist dagegen der Spurwechselassistent. Wir glauben allerdings, dass der links sinnvoller wäre als rechts - oder eben gleich beidseitig. Unterm Strich ist der FH16 ein echter Traum-Lkw - wenngleich er Mankos hat, die selbst mit einer Modellpflege nicht zu beseitigen sind, wie zum Beispiel die kurze Kabine. Andererseits ist er extrem schnell, sehr komfortabel, dabei leidlich sparsam und technisch aktuell eines der modernsten Autos - leider aber ziemlich teuer.
DER MOTOR IM KURZURTEIL
enorme Kraftreserven schon ab 900 Touren; trotz der hohen Leistung harmonischer Kraftverlauf; extrem leistungsfähige Motorbremse (über 900 PS!)
trotz des VGT-Laders spricht der Motor eher träge auf Gaspedalbewegungen an
KABINE UND NACHTEINSATZ
Rein von der Kubikmeter-Anzahl gesehen, gehört die FH-Kabine auch in ihrer größten Variante "Globetrotter XL" zu den kleineren Fahrerhäusern am Markt. Vor allem bei der Baulänge "verschwenden" die Schweden einige Zentimeter. Daraus resultiert ein starker Betteinzug im Bereich der Sitze. Ansonsten reicht der Platz im FH zumindest für Alleinfahrer locker aus. Für die ist auch die Option auf die Stauschränke an der Rückwand empfehlenswert. Gut: Alle Staufächer verfügen über Rollos statt Klappen, was das Öffnen und Schließen erleichtert. Ebenfalls eine gute Idee ist der drehbare Beifahrersitz, der so zur bequemen "Lümmelecke" nach Feierabend wird. Oder man stellt das Kopfteil des unteren Bettes auf und fühlt sich dann (fast) wie zu Hause auf der Couch. Die Matratze des Bettes bietet Volvo in drei unterschiedlichen Härtegraden an. Wir empfehlen die "feste" Variante, die den Rücken am besten unterstützt. Eine gute Wahl sind auch die im Test-Lkw verbauten Klimasitze (Leder im FH16 Serie). Auch wenn deren Lüfter viel Lärm in die ansonsten gut gedämmte Kabine bringt.
DER CHARAKTER DES FH16
Dem Power-Motor fehlt es an Sound
Dem Dreh am Zündschlüssel folgt kurzes Stutzen: Zu brav und zurückhaltend meldet sich der Volvo-Reihensechser zu Wort. Kein V8-Grollen à la Scania oder wie der dumpfe, schiffsdieselartige Sound des Actros 1863. Und dieser Motor soll 750 PS auf die Kardanwelle wuchten? Oder haben die Volvo-Leute etwa einen falschen Testwagen mit dem schwächeren 12,8-Liter-Motor geliefert?
BEIM TRITT AUFS GAS MACHT DER 16,1-LITER-SECHSZYLINDER ERNST
Haben sie nicht, das wird beim ersten Tritt aufs Gaspedal sofort klar. Selbst mit einem voll ausgeladenen Auflieger stürmt der 750er in weniger als 37 Sekunden von Null auf 85 km/h. Dann spürt man auch die Kraft der 3550 Newtonmeter Drehmoment. Gleiches gilt an Steigungen - wobei man schon genau drauf achten muss, um diese überhaupt zu registrieren. Kaum ein Berg kann das Tempo des stärksten Volvo einbremsen. Anders als manche Wohnwagengespanne, die sich am liebsten in Luft auflösen würden, sobald der FH16 formatfüllend im Rückspiegel auftaucht. Und dort aufgrund Überholverbots zumeist auch bleiben muss ...
Situationen, die ich nach dem 750er-Test ebenso wenig vermisse, wie die teure Einzelradaufhängung. Das Serien-Fahrwerk des Testwagens federte schließlich schon auf hohem Niveau. Und auch das für den FH16 nicht zur Disposition stehende Doppelkupplungsgetriebe vermisste ich nicht. Zu gut wechselt das "normale" I-Shift die Gänge. Das Einzige was ich beim 750er vermisse, ist eben ein standesgemäßer Sound. Aber vielleicht ist dieser Wunsch einfach nicht mehr zeitgemäß?