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Im Mineneinsatz: A-rocs around the clock

16.03.2015 08:00 Uhr
Im Mineneinsatz: A-rocs around the clock
Auf dem Minengelände bekommen Truck und Fahrer reichlich Staub ab
© Foto: Richard Kienberger

Im finnischen Kemi ist ein "Nahverkehrs"-Truck im Einsatz, der in einem Dreivierteljahr knapp 170.000 Kilometer gefahren ist. Dabei muss der Arocs schwer arbeiten: Auf dem Weg von einer Mine, in der Chromerz gefördert wird, zum Stahlwerk in Tornio liegt das Gesamtgewicht bei 78 Tonnen.

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Der hohe Norden Europas ist eine extreme Gegend. Im Sommer wird es hier kaum dunkel und im Winter kaum hell. Die meisten Menschen haben sich mit den Verhältnissen arrangiert, aber es gibt immer wieder welche, die vor allem die ewige Winternacht kirre macht und die fortziehen in Richtung Süden, wo der tägliche Wechsel zwischen Tag und Nacht deutlicher strukturiert ist. Wie schwierig mag es erst für Tuomas Seppi sein, seinen Lebensrhythmus an die Vorgaben der Natur anzupassen. Denn der bärtige Finne verbringt inzwischen auch im Sommer einen Großteil seiner Zeit in der Dunkelheit.

"Am Anfang war es schwierig, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt", sagt Seppi in der bedächtigen Art, die vielen Finnen zu eigen ist. Wir treffen ihn 700 Meter unter der Erdoberfläche in einem rabenschwarzen Loch, in dem nur die Scheinwerfer seines Trucks und einer Arbeitsmaschine einen winzig kleinen Bereich ausleuchten. Die Dunkelheit scheint das Licht buchstäblich aufzufressen und man hat Mühe, sich in dieser Finsternis zu orientieren. Der Weg an den Arbeitsplatz des Truckers führt vorbei an einer gigantischen Grube. Hier hat die Minengesellschaft Outukumpo früher wertvolles Chromerz aus der Erde geholt. Vorkommen an Chromerz sind übrigens äußerst selten in Europa, die Mine in Kemi ist die einzige innerhalb der EU. Als der Tagebau immer weniger Ausbeute brachte, entschloss man sich, die Mine untertage weiter zu treiben. 1999 war das, rund fünf Jahre später begannen die Minenarbeiter mit dem Abbau des Rohstoffs in der Dunkelheit.

DIE EISENBAHN WAR ZU TEUER: JETZT MACHEN LASTWAGEN DEN JOB

Die steil abfallende Straße in den aktiven Bereich der Mine führt durch einen Granittunnel. Solider Stein, der keine Stützen braucht. Doch das Chromerz wird in tieferen und lockeren Gesteinsschichten abgebaut, hier müssen die Tunnel mit Beton ausgekleidet werden, nachdem das Erz herausgesprengt wurde. Tuomas Seppi fährt einen Mischer, der eine spezielle Maschine "füttert", die den Beton an die konvexen Tunnelwände sprüht. Der Mischer gehört zum kleinen Fuhrpark von Samuli Suorso, der drei solcher Fahrzeuge betreibt, zwei davon in der Mine, ein Mixer arbeitet in der Hauptstadt Helsinki.

Samulis Schmuckstück kam im vergangenen Winter in den Fuhrpark: ein Mercedes-Benz Arocs. Der ist aber nicht untertage eingesetzt, sondern transportiert das aufbereitete Chromerz von der Mine bei Kemi in das rund vierzig Kilometer entfernte Stahlwerk von Outukumpo. Ein Job, der früher via Eisenbahn erledigt wurde. Doch die ist den Minenbetreibern zu teuer, zu umständlich und zu langsam geworden, daher werden für die Transporte jetzt Lastwagen eingesetzt. Das Pech von Tuomas Seppi: Seine Truck-Lizenz gilt nur für die kleineren Lastwagen, er kann sich also nur hinter das Steuer des Mischers klemmen und verbringt daher den Großteil seiner Arbeitszeit in der Tiefe.

Kollege Joonas Eemeli Sankala dagegen darf mit seinem BE/CE-Führerschein auch den Arocs fahren. Eine Woche Erztransporte, eine Woche Betonmischer. Ihm gefällt der Rhythmus, denn die Fahrten mit dem neunachsigen Arocs-Zug werden auf die Dauer doch eintönig: Immer die gleichen vierzig Kilometer von Keminmaa zum Werk in Tornio an der finnischschwedischen Grenze, dann vierzig Kilometer zurück. Der junge Trucker mag vor allem den Winter, "da fahre ich am liebsten", sagt er. Seit eineinhalb Jahren ist er auf der Erzroute unterwegs, vor einem halben Jahr wechselte er den Arbeitgeber und heuerte bei Samuli Suorsa an.

NEUN ACHSEN UND ZWILLINGSREIFEN: IN FINNLAND SIND 78 TONNEN ERLAUBT

Sieben Tickets müsse er üblicherweise in einer Schicht sammeln, erzählt Joonas. Tickets sind die Wiegescheine, mit denen die Fahrten und das Ladungsgewicht dokumentiert werden. Ebenso wie sein Boss und die anderen Fahrer, die mit dem Arocs rund um die Uhr unterwegs sind, hat er strikte Vorgaben von den Minenbetreibern. Die bezahlen den Transportunternehmer entsprechend der beförderten Tonnage. Was aber keineswegs dazu führt, dass Samuli und seine Mitarbeiter den Job hektisch erledigen. Sie wirken während der Schicht eher hoch konzentriert und halten sich strikt an die Limits. Steht 60 am Straßenrand, fahren sie auch 60.

Das Chromerz wird auf dem Gelände der Mine in unterschiedlichen Formen aufbereitet und mit gigantischen Radladern in die Trucks geschaufelt. Rund zehn Tonnen wiegt eine Schaufel voll Erz, zwei davon passen in den Seitenkipper des Trucks, drei auf den Hänger. In der Summe ergibt das ein Gesamtgewicht von 78 Tonnen, die man in Finnland inzwischen ohne Sondergenehmigung fahren darf, wenn der Zug mindestens neun Achsen hat und der Hänger durchgehend zwillingsbereift ist. Es staubt, als Joonas den Arocs an den Lagerhallen vorbei zur Ausfahrt lenkt. Die Route kennt er natürlich auswendig: Nach dem Tor rechts abbiegen auf die schmale Landstraße, auf der er zunächst 80, dann 60 fahren darf. Der schwer beladene Truck gleitet an grünen Wäldern und den aufgelassenen Eisenbahnschienen vorbei. Das Gefälle vor dem nächsten Abzweig fällt kaum auf, doch Jonas aktiviert die Hochleistungs-Motorbremse so frühzeitig, dass er vor dem scharfen Rechtsknick kaum mehr "richtig" bremsen muss. Ein paar Meter weiter führt eine kurze Rampe am Exit 38/Elijärvi auf die Autobahn 4, die wenig später zur Nummer 29 wird. Dieser Teil des Weges gehört zu den Europastraßen 8 und 75 und damit zu den wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen Finnlands beziehungsweise Nordeuropas. Die vierspurige Autobahn führt über den Kemijoki, einen breiten Fluss mit vielen Armen, und endet abrupt in einem Kreisverkehr. Hier steht schon ein Hinweisschild zum Stahlwerk. Nach wenigen Kilometern folgen weitere zwei innerhalb des ausgedehnten Geländes von Outukumpo. Dann nimmt er Anlauf, um die steile Rampe hoch zum Bunker zu schaffen, in den er das Chromerz kippen muss.

REKORDVERDÄCHTIGE FAHRTSTRECKE: 170.000 KILOMETER IN NEUN MONATEN

Es war die letzte Tour des Tages. Auf dem Rückweg biegt der Fahrer am Ende nicht in Richtung Mine ab, sondern fährt auf eine Betriebstankstelle. Dort übernimmt sein Boss Samuli Suorsa den Truck. Tankt zuerst, nimmt den Weg hoch in die Mine, lässt sich fünf Schaufeln Chromerz aufsatteln und fährt dann wieder ins Stahlwerk.

Nach dem Abkippen geht es allerdings nicht gleich zurück, zuerst muss der Finne ungefähr eine Stunde lang einen Spezialjob erledigen: Zwischendurch kuppeln die Erztrucker die Hänger ab und fahren mit dem Solotruck Kohle innerhalb des Werks. Eine staubige Angelegenheit, die das Fahrzeug mit einer dicken schwarzen Kruste überzieht. Samuli scheint das leidenschaftslos zu sehen. Der Arocs ist ein Arbeitsmittel und muss auf die eine oder andere Art Geld verdienen. Was den Unternehmer freut: Im Mittel begnügt sich der Zug trotz der hohen Auslastung und der zahlreichen Achsen mit 43 Liter Diesel. "Eine Tankfüllung Adblue mit 60 Litern reicht für fünf- bis siebentausend Kilometer", freut sich Samuli, der über seinen Truck nur Gutes zu berichten weiß. Knapp 170.000 Kilometer hat das Fahrzeug nach nicht einmal neun Monaten schon auf dem Tacho stehen - eine stolze Leistung. Sieben Jahre läuft der Kontrakt mit Outukumpu fürs Erste. Samuli Suorso rechnet, dass er dafür mindestens zwei, vielleicht sogar drei Arocs brauchen wird.

Dann muss er weiter, schließlich soll der Truck ja bis zum Ende der Schicht sieben Tickets gesammelt haben. Bis dahin wird auch im Süden Finnlands die kurze Dämmerung längst vorbei und ein neuer, heller Sommertag angebrochen sein.

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