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Mercedes Arocs 1845: Rollende Steine

02.10.2014 08:00 Uhr
Mercedes Arocs 1845: Rollende Steine
Die Hypoidachse spart Sprit, geizt aber prinzipbedingt mit Bodenfreiheit
© Foto: Karel Sefrna

Als 4x2 in Straßenkonfiguration samt neuem "Eco-Roll" schafft der Mercedes Arocs 1845 im Kippertest ein sehr ordentliches Ergebnis.

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Nachdem der erste Arocs-Testwagen, ein handgeschalteter, hochbeiniger 3245-Vierachser, weder in den Punkten Nutzlast oder Ergonomie noch Verbrauch fühlbare Bestmarken setzen konnte, schickte Mercedes-Benz jetzt einen Arocs 1845 mit Meiller-Kippsattel und Powershift.

Und siehe da, in die niedriger bauende Zugmaschine mit Classic-Space-Kabine in empfehlenswerter M-Ausführung steigt man schon ganz anders ein: Sie liegt mit 1,65 Meter Bodenhöhe immerhin gut zehn Zentimeter niedriger als beim 8x4 und verwöhnt den Fahrer mit treppenartig angeordneten Stufen. So kann sich Daimler die Griffmulde im Einstieg zum Hochziehen sparen. Innen erwartet den Fahrer die angewinkelte, vom Actros bekannte Armaturenlandschaft, die in ihrer schwarzen Kantigkeit mittlerweile bereits leicht "angegraut" aussieht, ergonomisch aber keine Fehler macht: Alle Schalter, Hebel und Taster sind am richtigen Ort und lassen sich gut bedienen.

ELEKTRONISCHE REGELUNGEN BEHERRSCHT DER BENZ

Lob auch für die Klimatisierung. Die lässt sich temperaturseitig fein regeln und arbeitet vergleichsweise leise. Das gilt auch für die automatisierte Powershift-Schaltung samt serienmäßigem Ecoroll.

Schon ohne eingelegtem Offroadmodus schätzt man im Gelände die Souveränität: Per Gaspedal kann man den Zug wunderbar ziehen lassen, ohne dass Powershift unnötig zu schalten beginnt. Das weiß man vor allem dann zu schätzen, wenn es über weichen Boden geht oder kleine Anstiege vor einem liegen. Die gleiche Souveränität legt der Arocs auch auf der Straße an den Tag: Bis auf Volvos FMX mit I-Shift legte bisher noch kein LKW mit automatisierter Schaltung die anspruchsvolle Testrunde so souverän zurück wie der 1845er-Sattelzug.

Doch im Gegensatz zum Volvo verkneift er sich das Hochschalten in Gefällen, da der Neigungssensor Powershift in diesem Fall befiehlt, die Gänge zu halten. Fast süchtig machenden Charakter hat Eco-Roll, das in Neutral geht, sobald der Fahrer den Fuß vom Gas nimmt und der Neigungswinkelsensor eine Ebene signalisiert. Hat man sich daran gewöhnt, ertappt man sich dabei, so viele Rollphasen wie möglich einzubauen, was mit einem beladenen 40-Tonnen-Sattelzug relativ problemlos möglich ist. Tatsächlich schlägt sich das auch in flotten Schnitten nieder. Zieht man die Motorbremse eine Stufe zurück, kuppelt der Arocs wieder ein. Eine Rückschaltung erfolgt erst bei weiterem Durchziehen des günstig geformten Lenkstockhebels.

Umgekehrt kann man den Arocs durch Gaslupfen wunderbar hochschalten lassen. Sonst schaltet Powershift meist dann, wenn man ohnehin gerade zum Lenkstockhebel greifen möchte. Das erübrigt manuelle Eingriffe weitgehend, zumal sich das Getriebe auch lange auf das Drehmoment des OM 471 verlässt. Mit ein bisschen Gefühl können so auch steile Kuppen ohne Schaltvorgang "überrollt" werden - trotz der mit 2,73 vergleichsweise lang übersetzten Achse und den damit verbundenen niedrigen Drehzahlen. Offiziell stellt der 12,8-Liter seine 2200 Newtonmeter Drehmoment erst bei 1100 Umdrehungen komplett zur Verfügung. Doch verwertbare Kraft liegt bereits bei 900 Touren an. Das bedeutet, dass das Maximum bei Landstraßentempo 65 km/h schon anliegt.

Trotz Hypoidachse (mit prinzipbedingt nur gut 210 Millimeter Bodenfreiheit), Wasserretarder (der gegenüber einem Standard-Ölretarder rund 30 Kilogramm spart) und der M-Kabine wiegt der Zug fast eine Tonne mehr als ein vergleichbarer MP3. Das liegt am gut 1360 Kilogramm schweren OM471-Sechszylinder, der in seiner massiven Bauart auf noch höhere Einspritz- und Abgasdrücke vorbereitet ist. Wie auch an der rund 200 Kilo schwereren Euro-6-Abgasanlage.

Deshalb schrumpft die Nutzlast entsprechend auf 25.750 Kilo zusammen, was vielen Praktikern negativ aufstößt. Einem günstigen Verbrauch steht das aber nicht im Weg: Dank der Hypoidachse, besserer Aerodynamik und Eco-Roll begnügte sich der Arocs mit extrem günstigen 30,5 Litern. Damit nähern sich jetzt auch die 40-Tonnen-Kippsattelzüge auf der TRUCKER-Testrunde der magischen Zwei vor dem Komma an.

Weniger überzeugen konnte der Komfort: Obwohl an den Hinterhufen vier Luftbälge und vorn Dreiblattparabeln federn, reagiert der Arocs vergleichsweise nervös auf Unebenheiten. Das fällt auf der Straße mehr auf als in der Grube. Leider ließ sich auch die Lenkung von der vergleichsweise unruhigen Vorderachse negativ beeindrucken und reichte manchen Schlag bis ins Lenkrad weiter. Entsprechend fehlt dann auch das letzte Quäntchen Exaktheit, das MAN oder neuerdings auch Volvo in der Grube bieten.

KLEINER PAUSENRAUM MIT BETT UND BROTZEITBRETT

Zeit, in die Grube zurückzukehren und nochmal im Offroad-Modus zu fahren. Der punktet durch schnelle und trotzdem erstaunlich weiche Schaltvorgänge. Noch mehr als die Standardstrategie ist er aufs lange Halten und höheres Ausdrehen der Gänge getrimmt, was bei einem Straßenroller aber nur selten benötigt wird: Außer der Differenzialsperre stehen keinerlei traktionsfördernde Hilfen zur Verfügung. Entsprechend schnell verliert die Sattelzugmaschine auf weichem Untergrund den Grip.

Dafür kann sich der Fahrer in Pausen über Nettigkeiten wie eine optionale Klappliege im Fonds, das ausklappbare Brotzeitbrett auf der Beifahrerseite oder die von außen zugänglichen Stauklappen freuen. Die Kabine konnte man auch bei diesem Testwagen elektrisch ankippen. Darunter findet man alle Servicepunkte aufgeräumt vor: Die Ölfilter sind fahrerseitig gut erreichbar und lassen sich sauber von oben abziehen. Der Luftfilter wurde auf der Beifahrerseite übers Rad gequetscht. Die Ölstandskontrolle erfolgt übers Display, kann aber manuell auch unter der Serviceklappe vollzogen werden. Dort liegt auch der Nachfüllstutzen.

Aufwendig ist der Leuchtmitteltausch: Erst muss der Scheinwerferrahmen mit zwei Torx-Schrauben abmontiert werden, bevor man vier Schrauben löst, um den Scheinwerfer auszuklappen. Das konnte der Vorgänger besser, was auch fürs Gewicht gilt. Ansonsten folgte er den Sparvorgaben seiner Fernverkehrsbrüder. (Gewichts-)Diät sollte er trotzdem halten!

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