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Volvos Test-Areal "AstaZero"

09.10.2014 08:00 Uhr
Volvos Test-Areal "AstaZero"
Das High-Speed-Areal mit 240-Meter-Kreisbahn ist optimal für ESP-Tests
© Foto: Gerhard Grünig

Das neue Test-Areal "AstaZero" bei Göteborg dient der Erprobung von Fahrerassistenzsystemen. TRUCKER war bei der Eröffnung vor Ort.

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Der Tacho des schwarzen Volvo FH zeigt 80 km/h. Fahrerin Martha mimt die schläfrige Chauffeurin. Vor uns ein älterer Herr, der mit 50 km/h träumend sein Auto bewegt. Der Schweden-Truck prescht mit unvermittelter Geschwindigkeit weiter. Kaum noch 20 Meter. Martha bleibt unbeteiligt. Innerhalb von Sekundenbruchteilen schmilzt der Abstand zum Vordermann auf nahe Null. Schrille Signaltöne hallen durch die Kabine, grelle rote Lichtblitze mahnen zu Aufmerksamkeit. Doch Martha träumt weiter.

Gerade will der beobachtende Beifahrer einen Schrei ausstoßen, da geht der Volvo selbsttätig in die Eisen. Die Kabine taucht tief ein. Zwischen PKW-Heck und Volvo-Stoßstange passt kaum noch ein Blatt Papier. Dann ist alles vorbei und der schwarze Truck folgt weiter mit 50 km/h dem Vordermann.

Es ist ein eindrucksvolles Erlebnis, einen der neuen Notbremsassistenten in Action zu erleben. Für genau solche Test wurde "AstaZero" konzipiert. Das neue Testgelände ist markenunabhängig und befindet sich 50 Kilometer nördlich von Göteborg in einem Landstrich, wo sich normalerweise Fuchs und Hase gute Nacht sagen.

Warum braucht man für Assistenzsysteme ein eigenes Gelände, wo doch jeder Fahrzeughersteller schon eines hat? Für die diffizilen Tests von Fahrerassistenzsystemen sind Areale, auf denen Schlechtweg-Erprobungen, Fahrdynamiktests oder Handlingübungen laufen, meist ungeeignet. AstaZero - die Abkürzung steht für Active Safety Test Area und nimmt die "Vision Zero", also das Szenario von null Unfällen, auf - schließt diese Lücke durch die spezielle Konfiguration der Testbahnen. Die Weitläufigkeit des Geländes kombiniert unter anderem einen 5,7 Kilometer langen Rundkurs. Über das Areal erstreckt sich ein Hochgeschwindigkeits-WLAN-Netz für schnellste Datenübermittlung. Bereits jetzt sind die Testbahnen für den so genannten elektrifizierten Betrieb, also das Laden von E-Fahrzeugen via Induktionsladung, vorbereitet.

DAS GELÄNDE LIEFERT AUF WENIG RAUM ALLES NÖTIGE

Zwei Autobahnteilstücke mit 300 und 700 Meter Länge dienen der Unfallforschung. Der Clou ist eine kleine Stadt, aktuell bestehend aus vier Häuserzeilen, demnächst bis zu neun Blocks groß. Weil die ursprünglichen Holzverschalungen nicht gefielen, besorgten sich die Macher von AstaZero Fotos aus Harlem und druckten diese großformatig auf Planen. Jetzt hat man bei den Versuchen das Gefühl, im ehemals berüchtigten Manhattaner Viertel zu weilen. Was aber viel wichtiger ist, sind die Versuche der Unfallprävention für Fußgänger, in diesem Fall demonstriert mit einem Volvo PKW. Der Verfasser darf hinter dem Lenkrad Platz nehmen und befährt die imaginäre Hauptstraße.

Eine unauffällige Lichtschranke löst den Testaufbau aus: Völlig unerwartet rennt ein kleines Kind zwischen der unübersichtlichen Häuserfront vors Auto. Noch ehe der Fahrer reagieren kann, bremst der PKW bis zum Stillstand. Im Echtfall hätte man jetzt den erschrockenen Blick eines unversehrten Kindes aufgefangen. Weil es ein Dummy ist, fehlt der. Das gute Gefühl stellt sich trotzdem ein, dass die Fußgängererkennung einen schlimmen Unfall verhindert hat.

Für die Entwickler bietet der imaginäre Stadtkurs optimale Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Eine große Aussichts- und Kontrollplattform ermöglicht

Filmaufnahmen, und gefährliche Szenen lassen sich von einem der zahlreichen Kontrolltürme sogar automatisch steuern.

Mehr Dynamik gibt es freilich auf den High-Speed-Flächen zu erleben. Mehrere Zufahrten erlauben unterschiedlichste Versuchsaufbauten - bis hin zum automatisiert gefahrenen Crashtest. Wobei der eigentliche Sinn von AstaZero darin liegt, den möglichen Unfall zu verhindern. Dazu gibt es bereits eine Vorbereitung für die nächste Stufe der Sicherheit: die Car-to-Car- sowie die Car-to-Infrastructure-Kommunikation. Bei dieser Technik "sprechen" die Fahrzeuge untereinander oder mit einem Verkehrsleitsystem. Dadurch erfährt der Fahrer schon kilometerweit im Voraus, dass ihn, wenn er keine Umfahrung nimmt, ein Stau erwartet oder ähnliche Szenarien.

Ein durchaus beeindruckender Test bildet den Abschluss dieses Tages: Die Fahrt im autonom fahrenden Fahrzeug. Was zunächst gespenstisch klingt, entpuppt sich in der Realität als total unspektakulär. So wie man normalerweise den Tempomaten aktiviert, drückt man ein kleines Knöpfchen im Lenkrad und lässt Selbiges los. Zielsicher folgt der Wagen der Spur, nimmt die Fahrbahnbegrenzungslinien zur Führung, orientiert sein Tempo am Vordermann. In Kurven dreht das Lenkrad wie von Geisterhand. Und selbst auf das Reh, das abseits des Testbetriebes plötzlich die Spur kreuzt, reagiert das Fahrzeug mit einem adäquaten Bremsmanöver.

AUTONOMES FAHREN WIRD SCHON BALD REALITÄT

Anschließend wird beschleunigt, als wäre nichts gewesen. Fahrer und Beifahrer unterhalten sich derweilen angeregt - und keiner verschwendet auch nur einen Blick auf die Straße. Nach Ansicht der beteiligten Ingenieure wird dieses Szenario bis 2020 Realität sein. Nur, wenn man den Menschen aus dem Geschehen nimmt, ist die "Vision Zero" möglich. Denn der Lenker aus Fleisch und Blut ist an 95 Prozent aller Unfälle schuld. So viele Fehler macht kein Computer - der schon jetzt recht zuverlässig ist. AstaZero bietet die besten Möglichkeiten dafür, dass Assistenzsysteme noch schneller noch perfekter werden. Schon jetzt arbeiten in dem vom Schwedischen Verkehrsministerium und dem Zulieferer Chalmers betriebenen Sicherheitszentrum die beiden LKW-Hersteller Volvo Trucks und Scania sowie der PKW-Hersteller Volvo intensiv an neuen Technologien. Doch AstaZero versteht sich als neutraler Dienstleister, und aktuell liegen Anfragen anderer Hersteller vor, das bislang einzigartige Gelände zu nutzen. Eine weitere Einzigartigkeit ist die Abbildung aller Testmöglichkeiten im Computer. Ehe es also in den Realbetrieb geht, können die Hersteller umfangreiche Simulationen durchführen. Und für die volle Vernetzung sorgen 800.000 Kilometer Kabel. Auch das ein Superlativ, damit im Straßenverkehr bald niemand mehr zu Tode kommt.

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