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Reportage: Daimler-Historie: Sternen-Metamorphose

03.01.2019 08:00 Uhr | Lesezeit: 4 min
Reportage: Daimler-Historie: Sternen-Metamorphose
Diese Trucks hat Daimler in den vergangenen 40 Jahren gebaut
© Foto: Karel Sefrna

Was sich in 46 Jahren Lkw-Entwicklung getan hat, zeigen diese sieben Lkw von Mercedes-Benz auf beeindruckende Weise. Start frei zur Zeitreise von 1973 bis zur Gegenwart.

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Kaum zu glauben, dass da eine Verwandtschaft besteht! Welten und eben 46 Jahre Entwicklung liegen zwischen dem LP 1932 und der frisch vorgestellten, jüngsten Actros-Generation.

Aber der Sprung zum heutigen Modell ging bekanntlich über zahlreiche Folgemodelle. Sieben Lkw-Generationen von Mercedes-Benz haben wir hier zusammengezogen, um die Entwicklung Schritt für Schritt nachzuvollziehen.

Der älteste im Feld ist besagter LP 1932 mit der kubischen Kabine, den Mercedes-Benz zwischen 1963 bis 1974 fertigte. LP stand übrigens für "Lastwagen Pullmann", was damals die Daimler-Lkw ohne Haube bezeichnete. Die Modelle mit Schnauze hörten auf den Buchstaben "L".

Letzte LP-Neuheit: Die kippbare Kabine

Mit Baujahr 73 ist das Testexemplar eines der letzten Vertreter seiner Zunft, der Nachfolger NG (Neue Generation) war bereits vorgestellt, weshalb dieser LP schon über ein kippbares Fahrerhaus verfügt. Vor dessen Einführung hatten sich die Schwaben lange gesträubt, sie trauten der Sicherheit des Verriegelungsmechanismus nicht so recht.

Der 320 PS starke V10-Saugmotor war so für Wartung und Reparaturen aber einfach viel besser zugänglich als über die unzähligen Wartungsklappen der fest montierten Kabine, die dem LP den Spitznamen Adventskalender einbrachten.

Der Oldie mag Emotionen wecken, im Alltag würde ihn heute aber niemand mehr fahren wollen! Der V10 brüllt durch die kaum höher als bei einem modernen Transporter montierte Kabine - unglaublich, dass dieses Modell seinerzeit zu den leisesten seiner Gattung gehörte. Der Schalthebel des Achtgang-ZF-Getriebes und das riesige Bakelit-Lenkrad wollen für Fahrstufenwechsel und Richtungsänderungen entsprechend bewegt werden. Im "Cockpit" sind die Rundinstrumente dagegen schon so angeordnet, wie Mercedes-Benz es noch bis Ende 1994 beibehielt.

Denn auch der SK (Schwere Klasse) trug bis zum Ende seiner Produktion 1998 links den Tacho, in der Mitte den Drehzahlmesser und im Rundinstrument rechts daneben Anzeigen für Öl- und Bremsdruck sowie Kühlwassertemperatur und Dieselvorrat.

Abgesehen davon trennen LP und SK Welten, der Vergleich ist aber auch nicht ganz fair. Schließlich handelt es sich beim Testfahrzeug um ein Exemplar aus der letzten SK-Generation, die Mercedes 1994 einführte. Ein NG oder ein früherer SK-Vertreter ließen sich für unseren Test leider nicht auftreiben.

Dafür war das SK-Testfahrzeug vor 25 Jahren ein echter Fahrertraum. Es verfügt einerseits über die stärkste Motorisierung, die es für den SK jemals gab. 530 PS erzeugt der OM-442-Achtzylinder per Twin-Turbo. Neben souveränen Fahrleistungen entwickelt er auch ein unwiderstehliches V8-Grollen, gegen das die braven Reihensechszylinder der heutigen Actros wie brave Schoßhündchen klingen.

Und es gibt für damalige Verhältnisse innen Platz in Hülle und Fülle, dank des Kunststoffhochdachs namens "Eurocab". Das hatte Mercedes-Benz 1992 eingeführt, wie auch andere Hersteller als Reaktion auf die riesige Kabine des 1990 präsentierten Renault AE Magnum.

Dafür nahmen die Daimler-Leute einigen und vor allem teuren Aufwand auf sich. Die Normalkabine wurde nachträglich abgeschnitten und das um 50 Zentimeter raumerhöhende Hochdach aufgesetzt.

Aus heutiger Sicht, wo man von Kabinen mit ebenem Boden verwöhnt ist, fällt der Eurocab-SK innen aber gar nicht so riesig aus. Das liegt vor allem an dem sich in der Mitte 455 Millimeter hoch aufbauenden Motortunnel. Ist darauf dann noch wie beim Testfahrzeug eine Staukiste verbaut, bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten, wo man hintreten kann.

Dafür weist der letzte SK eine hohe Verarbeitungsgüte auf. Der schnurgerade gezogene Armaturenträger mag mit seiner dunklen Farbgebung zwar wenig freundlich wirken, dafür erscheint er wie für die Ewigkeit gebaut. Und alle Schalter und Regler rasten tatsächlich noch wie am ersten Tag ein.

Gleiches gilt für den Joystick der elektropneumatischen Schalthilfe EPS, die im SK schon seit 1985 serienmäßig die Gänge wechselte, auch wenn längst nicht jeder Fahrer von der Halbautomatik begeistert war. Ihren letzten SK mochten Ende der 1990er-Jahre trotzdem viele behalten, um ihn möglichst spät gegen die erste Actros-Generation eintauschen zu müssen.

Denn mit der zog ein bis dato nicht gekannter Elektronikanteil ein, zusammengefasst durch das Kunstwort "Telligent". Dahinter standen elektronisch gesteuerte Scheibenbremsen, ein teil- oder vollautomatisiertes Getriebe und über Canbus vernetzte Komponenten. Deren Zusammenspiel funktionierte in den ersten Jahren längst nicht reibungslos, weshalb der MP1 oft in der Werkstatt stand.

Mehr als das störte die Fahrer die billig anmutende Kabineneinrichtung und deren knarzende Verarbeitung. Und richtig Platz bot auch nur die teure Mega-Space-Kabine mit ebenem Boden.

Erst über die Jahre und mit mehreren Modellpflegen bekam Mercedes-Benz die Probleme in den Griff. Der weiße 1843 Mega-Space, der hier seine Generation vertritt, entstammt dem Jahr 2000 und lief laut Aussage seines Besitzers über die Jahre ohne größere Probleme.

Trotzdem, um das angekratzte Image wiederherzustellen, musste Daimler weitere Taten folgen lassen. Und tat das mit Einführung des Nachfolgers MP2. Dass der auf seinem Vorgänger basiert, ist kaum noch zu erkennen. Zu sehr räumten die Designer in Wörth am Rhein vor allem innerhalb der Kabine um. Wertigere Materialien, eine bessere Bedienbarkeit und Verarbeitung zogen ein. Dazu gesellten sich praxisgerechte Ideen, wie die in der rechten Armlehne integrierte und während der Pause hochklappbare "Schaltwalze" für das automatisierte Getriebe.

Optisch wenig anders: Der Actros MP3

Optisch kaum Änderungen brachte das 2008 folgende Lifting auf den MP3: Ein veränderter Kühlergrill, aerodynamisch optimierte Spiegel und eine neue Sonnenblende mussten genügen. Zudem war der Actros nun mit Licht- und Regensensor zu haben. Größte Neuerung war das Powershift-2-Getriebe mit zwölf Fahrstufen, das die bisherigen 16-Gang-Boxen ablöste.

Übrigens ist das rote Testfahrzeug dieses Vergleichs Baujahr 2018 und hat jungfräuliche 120 Kilometer auf dem Tacho! Für Exportländer, in denen die Euro-6-Schadstoffnorm kein Thema ist, baute Mercedes-Benz den MP3 nämlich weiter. Das Testfahrzeug ist nach Herstelleraussage aber das allerletzte Exemplar, das nach unserem Test direkt ins Daimler-Museum fuhr. Wofür der 598 PS starke V8 und die topausgestattete Mega-Space-Kabine eigentlich viel zu schade sind!

Beschäftigen wir uns lieber schnell mit dem, was 2011 auf den MP3 folgte: Der New Actros glich in keinem Teil mehr seinem Vorgänger. Zudem wich Mercedes-Benz von seinem bisherigen Faible für V-Motoren ab. Der Neue war/ ist nur noch mit Reihensechszylindern - bis zu 625 PS stark - zu haben. Zudem wurde das Kabinenangebot auf ein bis dato von Daimler nicht gekanntes Maß auf elf Varianten ausgeweitet. Die bieten mehr Komfort und vor allem einen ergonomisch bestens gestalteten Arbeitsplatz.

Kameras ersetzen die bisherigen Spiegel

Von der erst vor wenigen Wochen vorgestellten, neuen Actros-Generation rollt noch kein Exemplar auf der Straße. Ausgeliefert wird ab Mai 2019. Trotzdem hat der Neue bereits für Wirbel gesorgt. Die serienmäßig durch moderne Kamerasysteme ersetzten Außenspiegel, was Sichtverhältnisse und Aerodynamik gleichermaßen verbessert, sind der Hauptgrund dafür.

Abzuwarten bleibt hingegen, wie die Fahrer das neue, digitale Bedienkonzept des New Actros II annehmen werden. Die bisherigen Schalter wichen einem großen Bildschirm rechts vom Fahrer, über den Lüftung, Heizung, Radio und so weiter gesteuert werden. Das setzt allerdings eine gewisse Affinität voraus, und ob die tatsächlich jeder Fahrer mitbringt oder bereit ist, sich anzueignen, wird sich erst zeigen. Nicht von ungefähr bietet Mercedes-Benz daher auch weiterhin das konventionelle Bedienkonzept des Vorgängers an. Gegenüber dem LP von 1973 wirkt aber auch dieses wie aus einer anderen Welt!

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