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Fahrbericht: Neuer DAF XF

20.12.2012 06:00 Uhr
Fahrbericht: Neuer DAF XF
Bereits in der Space Cab ist ausreichend Platz für den internationalen Fernverkehr.
© Foto: Gerhard Grünig

DAF bleibt in Rufweite neuester Technik. Der XF ist ordentlich gemacht, setzt aber keine Maßstäbe.

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Gefühle kommen von Herzen oder aus dem Bauch und entstehen selten aus der Vernunft. Gefühlt war der DAF XF105 immer ein Liebling der Fahrer. Mit Vernunft hatte das nur bedingt zu tun, denn bei aller Sparsamkeit der Motoren, den voluminösen Fahrerhäusern und der zuverlässigen Technik war der Holländer in die Jahre gekommen.

Mit dem neuen XF hat DAF das Flaggschiff komplett umgekrempelt, dabei aber in weiten Teilen auf Bewährtes gesetzt. Neu sind optionale LED-Scheinwerfer mit integriertem Tagfahr- und Abbiegelicht. Laut DAF steigen Lebensdauer und Lichtausbeute bei zugleich geringerem Energieverbrauch. Wie gut das Licht ist, wird der Supertest zeigen, mit dem wir uns bis Sommer 2013 gedulden müssen. Die Produktion der neuen Baureihe startet erst Ende März 2013 - dann ausschließlich in Euro 6. Wer noch Euro 5/EEV will, für den baut DAF bis 2014 den XF105.

NEUER KABINENBODEN, GEWOHNTER EINSTIEG

Um die voluminöseren Euro-6-Triebwerke - die nach wie vor auf dem MX-Motor basieren - unterzubringen, musste DAF den Kabinenboden um 3,5 Zentimeter anheben. Es bleibt dennoch bei drei Stufen, auf denen ein neuer Antirutschbelag für mehr Haftung sorgt. Keine neue, aber eine gute Idee ist der Funkschlüssel mit integrierter Prüffunktion für die gesamte Beleuchtungseinrichtung. Im Innenraum haben die Niederländer den Sitzkomfort optimiert und die Bedienung des Gestühls vereinfacht und als Option steht künftig eine Sitzklimatisierung zur Verfügung, die den Schweiß vom Rücken des Fahrers sanft absaugt. Für schlanke Fahrer bieten die Sitze wenig Seitenhalt und eine flaue Lordosenstütze.

Der dicke, lederummantelte Kranz des Lenkrades liegt gut in der Hand. Die Bedientasten für Tempomat, Limiter sowie Radio und Telefon sind neu arrangiert und lassen sich einfach bedienen. Die klar gezeichneten Rundinstrumente für Tacho und Drehzahlmesser sind gut ablesbar. Die linear skalierten Anzeigen für Diesel- und Adblue-Vorrat wirken aber wie Fremdkörper. Dafür gefällt der zentral angeordnete LCD-Bildschirm, über den der Fahrer alle primären Anzeigen, wie Abstandstempomat, Wartung, Diagnose sowie Tripdaten abrufen kann. Ein zweites Display beinhaltet die Unterhaltungselektronik, das Navi und - falls vorhanden - Kameras für Front und Heck.

Generell ist es DAF gelungen, Schalter und Regler aufgeräumt, übersichtlich und in Griffweite des Fahrers unterzubringen. Die Lichtschalter fürs Innenlicht sind dagegen in der ganzen Kabine verstreut. Insgesamt aber eine Verbesserung des Bedienkonzeptes, denn beim aktuellen Modell verstecken sich einige Taster neben der Lenksäule. Sitz- und Lenkradverstellbereich sind nicht gewachsen, was auch nicht nötig war. Das Bett ging um 20 Zentimeter in die Länge, womit künftig selbst 2,20-Meter-Riesen Platz finden. Eine gute Idee findet sich an der oberen Liege verwirklicht: Die bequeme Matratze ist drehbar und verfügt einseitig über einen robusten Bezug, falls Gepäck gebunkert statt genächtigt wird.

LEISERER MOTOR, LAUTERE WINDGERÄUSCHE

Objektiv konnte das Innengeräusch um zwei dB(A) gesenkt werden. Subjektiv läuft der New XF deutlich leiser als sein Vorgänger. Das bringt allerdings mit sich, dass wegen der geringen Lautäußerungen des Triebwerks ab 70 km/h Windgeräusche deutlicher wahrnehmbar sind - besonders von der Sonnenblende, vor allem aber von den immer noch wuchtigen Gehäusen der Spiegel, insbesondere des Frontspiegels. Fahrzeuge mit optionaler Frontkamera sind etwas leiser, das Super Space Cab erzeugt weniger Rauschen als das kleinere Space Cab.

Die Euro-6-Motoren hat DAF bei Leistung und maximalen Drehmomenten gegenüber Euro 5 nicht verändert. Das heißt: 410 bis 510 PS sowie 2100 bis 2500 Nm. Dennoch zeigen die im Hubraum unveränderten Triebwerke einen fülligeren Kraftverlauf im grünen Bereich. Das maximale Drehmoment liegt etwa 50 bis 100 Umdrehungen früher an. Die neue Common-Rail-Einspritzung mit 2500 bar Einspritzdruck wirkt wie ein Jungbrunnen, ein Turbolader mit variabler Geometrie sorgt für spontanes Ansprechverhalten.

Einen enormen Fortschritt hat DAF bei den automatisierten ZF-Getrieben realisiert. Die Schaltboxen agieren weit besser als die des Iveco New Stralis oder die des MAN TGX/TGS. Obwohl die Niederländer nach wie vor auf die AS-Tronic setzen, weil ihnen das neue Traxon-Getriebe noch zu schwer ist, überzeugt die optimierte Kupplungssteuerung. Mit der lässt sich dank optimaler Schlupfregelung glänzend anfahren und rangieren. Eine neue, "Fast Shift" genannte, Funktion ermöglicht den Gangwechsel zwischen Elftem und Zwölftem ohne Betätigung der Kupplung - was wirklich sehr fix geht. Auch sonst lässt der neue XF keine Wünsche offen, was das Schalttempo betrifft. Soweit nach den ersten Runden ein Urteil möglich ist, geht auch die Schaltstrategie in Ordnung. Konkret stuft der XF in Steigungen bei rund 1050 Touren zurück und wechselt bei 1500 Umdrehungen wieder in den höheren Gang. Das passt bestens zur Charakteristik der gefahrenen Versionen mit 460 und 510 PS.

Als Neuerung haben die Holländer Eco-Roll integriert. Nimmt der Fahrer Gas weg, öffnet sich die automatisierte Kupplung und der Zug rollt im Standgas mit kraftfreiem Antriebstrang. Man merkt den Trucks allerdings an, dass es DAF noch ein wenig an Erfahrung fehlt: Das im Mercedes identisch benannte System agiert im Actros viel cleverer. Der XF nutzt Eco-Roll zu wenig, meist zu spät und legt zu früh wieder einen Gang ein. Ein weiteres Manko: Eco-Roll schaltet sich nur bei aktiviertem Tempomat zu. So fehlt der kostenlose Schwung bei Ausrollsituationen, etwa an Autobahnausfahrten, wo der Tempomat deaktiviert ist.

Ein Defizit hat der New XF noch immer beim Tempomat. Gut ist das regelbare Intervall (so genannte Hysterese) beim Bremstempomat mit +2 bis +7 km/h. Schlecht ist, dass die Steuerung noch immer inaktiv wird, sobald der Fahrer beibremst. Als Trost bleibt, dass man jetzt beide Systeme mit einem Knopfdruck reaktivieren kann. Leider zeigt der XF die aktuell hinterlegte Geschwindigkeit des Tempomaten, der sich nur in Ein-km-Intervallen verändern lässt, nicht permanent an. Der Fahrer merkt sich den letzten Wert am besten. Auch fehlt es bei deaktiviertem Abstandstempomat (ACC) an Infos bezüglich Abstand zum Vordermann und dessen Geschwindigkeit, wie sie der Actros stets bereithält. Wenigstens kann der Fahrer diese Angaben bei eingeschaltetem ACC via Dreh-Drücksteller im Display einblenden.

NUR IN RUFWEITE DER NEUESTEN TECHNIK

In Ermangelung eines GPS-gestützten Tempomaten setzen die Holländer auf eine "halbintelligente" Steuerung. In Rollphasen fällt die Geschwindigkeit um bis zu zwei km/h unter die im Tempomat gesetzte. So soll das Fahrzeug länger seinen Schwung nutzen und Kraftstoff sparen - eine Strategie, die auch Renault (Optiroll) und Scania (Ecocruise) wählen und die nach unseren Erfahrungen ein paar Zehntelliter pro 100 km sparen kann.

Mit einem Anachronismus hat DAF aufgeräumt: Das "Trittplattenbremsventil" musste einem hängenden Bremspedal weichen. So lassen sich die wirkungsvollen Verzögerer viel besser dosieren.

Zwei nützliche Anachronismen behielten die Holländer bei: drei Scheibenwischer, die ein ausgezeichnetes Sichtfeld bieten. Und das kleine Fußpedal, mit dem der Fahrer alternativ zum klobigen Lenkstockhebel die Motorbremse aktivieren kann. Die ist echt stark! Mit über 440 PS Bremsleistung, dann allerdings auch 2100 Touren, reicht die Zusatzbremse meist aus, um den voll ausgeladenen Zug im Zaum zu halten.

Fährt der Chauffeur mit "Cruise Control", regelt sich die Leistung der Motorbremse via Ladedruck vom VGT-Lader stufenlos. Verzichtet der Fahrer darauf, bleibt ihm nur schwarz oder weiß: Motorbremse aus oder volle Power. Eine zwei- oder dreistufige Dosierung wäre da höchst hilfreich.

Bezüglich Fahrwerk und Lenkung versprach Entwicklungschef Ron Borsboom schon bei der Präsentation auf der IAA eine neue Dimension. Nach den Testfahrten macht sich eine gewisse Ernüchterung breit. Gemessen am aktuellen Modell gefällt der neue XF mit weniger Kabinenbewegung und besserer Abstimmung des Fahrwerks. Auf dem hohe Niveau eines New Actros oder gar Volvo FH fährt er nicht. Eines der Vorserienmodelle missfiel sogar durch eine um die Mittellage schwammige und unpräzise Lenkung - ein Mangel, der bei den anderen Fahrzeugen allerdings nicht auftrat.

ORDENTLICHES AUTO IM KONSERVATIVEN STIL

Für sich betrachtet fällt der gebotene Komfort ordentlich aus. Ein direkter Vergleich einer stahlgefederten Kabine mit der Komfort-Luftfederung zeigt die Überflüssigkeit der teuren Aero-Option. Auch mit Spiralfederung sitzt die Kabine, in dem Fall sogar ein Super Space Cab, ausreichend straff auf dem Rahmen. Ein Grund für die gute Abstimmung ist mit Sicherheit die jetzt verbreiterte Federbasis der Fahrerhäuser. Die Verbesserungen des Fahrwerks fallen trotz der guten Idee mit der "Stabilink" genannten Hinterachsaufhängung merkbar, aber nicht epochal aus. Der große DAF ist und bleibt ein komfortabler Langstrecken-Cruiser mit zweckorientiertem Innenraum, ansehnlicher Optik und guter Verarbeitung.

Seit 1985 baut DAF jetzt den XF. Bei jedem Facelift hieß es "Evolution statt Revolution". Das merkt man dem Neuen an. Er gibt sich solide, pflegt Stärken wie die geräumige Kabine, beseitigt Schwächen wie das veraltete Bedienkonzept und verzichtet auf technologische Highlights. Ihn weiter zu mögen, erschwert DAF aber durch ausstattungsbereinigte Preisaufschläge von 11.000 Euro. Da fragt man sich, wofür? Für keinen Notbremsassistenten, für keine Einzelradaufhängung, für kein PKW-Feeling im Innenraum? Wobei sich erstaunlich viele Kunden für das konservative Konzept der Holländer entschieden. In Europa verortet sich DAF über 16 Tonnen knapp hinter MAN auf Platz 3. Vielleicht ist es ja wie mit der Hausmannskost: Nicht experimentell, aber schmackhaft.

INTEGRIERTES LERNSYSTEM - DRIVER PERFORMANCE ASSISTANT (DPA)

Die Idee des "DPA" ist zwar nicht ganz neu - deshalb aber nicht schlecht. Kollege Computer bewertet den Fahrstil des Chauffeurs und gibt Tipps zur Fahrweise sowie Nutzung der Bremsen - ganz ähnlich wie bei Scania. Und wie bei den Schweden ist auch das DAF-System in seiner ersten Ausbaustufe nicht ganz logisch. So führt ganz ähnliches Fahrerverhalten bei LKW mit manuellem Getriebe oder automatisierter Schaltung zu unterschiedlichen Ergebnissen. Grundsätzlich lassen sich mit AS-Tronic bessere Resultate einfahren. Auch berücksichtigt das System nicht, wenn der Retarder fehlt. Obwohl der Fahrer dann systembedingt mehr mit der Betriebsbremse arbeiten muss, bekommt er eine schlechtere Bewertung als ungerechte Quittung. Trotzdem tut es der Fahrerseele gut, nach erfolgreichen Manövern fünf Häkchen als Belohnung zu bekommen! Und der Chef bekommt von etwaigem Tadel nichts mit, denn die Daten dienen nur der Selbst-, nicht der Fremdkontrolle. Insgesamt gilt, was für den gesamten XF gilt: Gute, wenngleich meist imitierte Ideen, bei denen es aber noch am Feinschliff fehlt.

->> Zum Video DAF XF105

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